Oldtimerkauf

Irgendwann ist es soweit: Ein alter Roller muß her... Nach reiflicher Überlegung und mit vorformuliertem Argumentationsschema für etwaige Bedenkenträger steht man gleich vor den ersten Problemen: Welches Modell? Woher? Wieviel will / muß ich ausgeben? restauriert oder original? Alltagseinsatz oder Sonntagsfahrzeug?
Das vertrackte ist: Je konkreter man diese Fragen für sich beantwortet, desto eingeschränkter ist man. Wir lernen: Oldtimerkauf hat viel mit Spontanität zu tun! Je seltener ein Fahrzeug ist, desto mehr muß man flexibel sein. Soll es tatsächlich ein ganz konkretes Modell sein, gilt es abzuschätzen wie riskant es ist wählerisch zu sein. Bei Fahrzeugen wie einem Vespa U-Modell kann eine Chance die einzige sein. Eine V50 wird dagegen keiner überstürzt oder unbesehen kaufen. Hier hilft nur das Verfolgen des Marktes und der Preise.
Zeitungen wie "Oldtimer Markt", "Kurz und Fündig / Sperrmüll" oder Internet-Kleinanzeigen geben einen Überblick über das aktuelle Angebot. Eine Erfahrung, die sich immer wieder bestätigt ist, daß man die interessantesten Fahrzeuge nie in Fachzeitschriften angeboten bekommt sondern ganz unverhofft z.B. in der Tageszeitung.
Grundsätzlich kann man sich nicht genug informieren. Fachliteratur gibt Hinweise über die gebauten Stückzahlen und modellspezifische Besonderheiten. Obwohl man sich ja nicht gleich als Experte outen muß ist es doch sehr vorteilhaft, wenn man möglichst viel über das betreffende Modell weiß. Sehr praktisch ist es, wenn man vorher bereits die Preise für etwaige Ersatzteile kennt bzw. weiß ob sie überhaupt verfügbar sind. Bei Oldtimer-Vespas ist z.B. der Katalog des Rollerladens eine große Hilfe. Teile, die hier nicht aufgelistet sind sind wirklich rar. Außerdem ist man, wenn man mit diesen Preisen kalkuliert auf der sicheren Seite und kann von nichts mehr geschockt werden.

Wenn man einen Bekannten zur Besichtigung mitnimmt sollte dieser übrigens nicht allzu begeistert von der Sache sein, sonst kann man den Roller auch sofort kaufen...


Umständlich und (letztendlich) am teuersten: Zerlegte oder unvollständige Fahrzeuge.
Nur sinnvoll bei wirklich seltenen Modellen oder als Teileträger. Nix für Einsteiger!


Besser: Eine unverbastelte, komplette Restaurierungsbasis.
Kostenabschätzung vorab möglich. Große Auswahl auf Teilemärkten.


Unkompliziert: Fahrbereiter Roller.
Obwohl in der Anschaffung teurer, ist es letztendlich fast immer die günstigste Möglichkeit Oldtimer zu fahren.
Geringstes Risiko eines Fehlkaufs.


Fall 1: komplettes, fahrbereites Fahrzeug. Restauriert oder guter Originalzustand

Hier ist es im großen und ganzen wie beim Gebrauchtwagenkauf. Zusätzlich zur technischen und optischen Untersuchung muß die Originalität überprüft werden. Tatsachen wie fehlende oder nicht originale Teile rechtfertigen Preisabzüge. Je älter das Vehikel, desto größer die Wahrscheinlichkeit von "Basteleien".
Da an solchen Fahrzeugen normal nicht mehr viel geschraubt werden soll ist es besonders wichtig, daß alles "zusammenpaßt": Der Zustand von Lack, Chrom, Sitzbank und Gummiteilen sollte harmonieren. Es kann davon ausgegangen werden, daß man mit der Zeit eher "pingeliger" wird und früher oder später ungewollt von Detailverbesserungen in eine Restauration schliddert...
Zur Technik läßt sich so allgemein wenig sagen. Fast wichtiger als eine Probefahrt (wir kaufen kein Auto!), bei der wir erstmal mit der ungewohnten Bedienung zu beschäftigt sind um versteckte Mängel zu entdecken ist ein gutes Anspringen und ein sauberer Leerlauf. Die Motorgeräusche im Stand sagen mehr aus als bei der Fahrt mit Helm. Ausreden von Verkäufern, daß das "nur noch schnell eingestellt gehört" sind blanker Unsinn. Mir kann niemand weismachen so etwas nicht vor dem Verkauf gewußt und versucht zu haben!


Fall 2: Restaurierungsobjekt

Restaurierungsobjekte sind fast immer konkrete Modelle, die man sich eingebildet hat (sonst würde man sich die Arbeit nicht machen). Wie weit das gehen kann ist ja bekannt, nur sollte man bei seiner "Sucht" in der eigenen handwerklichen, räumlichen und finanziellen Liga bleiben. Bei der Auswahl eines "Projektes" ist die richtige Einschätzung des zu erwartenden Aufwandes wichtig, sonst macht die Sache bald keinen Spaß mehr. Hierbei sind die klassischen Gebrauchtwagenkäufer-Kriterien absolut fehl am Platze, da der Zustand von Reifen oder Lack absolut egal ist - jedes fehlende Kleinteil dagegen riesige Probleme aufwerfen kann.
Oberstes Entscheidungskriterium ist daher die Verfügbarkeit der fehlenden Teile. (z.B. Vespa V98, bei der die Hälfte der Teile fehlt ist eine Lebensaufgabe). Bei seltenen Rollern sind es gerade fehlende Zier- und Anbauteile, die einem Probleme machen können. Die Technik ist bei Rollern zum Glück relativ unkompliziert und billig.
Am zweitwichtigsten sind alle erforderlichen Arbeiten, die man nicht selbst ausführen kann: Wer sein Projekt nacheinander zum Spengler, Lackierer, Sattler und Galvanikbetrieb bringt kann sich vom Gedanken an eine Marktwertgerechte Restaurierung schnell verabschieden, außer es ist vielleicht ein Bugatti...
Fehlende Papiere stellen (in Deutschland) zum Glück weniger Probleme an als oft vermutet - dazu jedoch an anderer Stelle!

Ideale Restaurierungsobjekte sind meiner Meinung nach sogenannte "Scheunenfunde", da sie in der Regel trotz erbärmlicher Optik in besserem Zustand sind als Fahrzeuge, die 40 Jahre im Einsatz waren. Man sollte allerdings nie versuchen, lang abgestellte Fahrzeuge ohne Vorbereitung testweise zu starten, da hier durch fehlendes Öl in 5 Minuten mehr Schaden entstehen kann als in den letzten Jahrzehnten. Bei diesen Oldtimern kann man auch davon ausgehen, daß sie nicht mit allerhand Pfusch am Laufen gehalten wurden sondern ihren Besitzern etwas bedeutet haben - sonst hätten sie das Ding nicht aufgehoben!

Stillgelegt 1963 (!)


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